Wien (A) * Secession * 1993 * 11 Wochen

Mit ihrem ersten Projekt ist es der WochenKlausur gelungen, eine medizinische Versorgung für Wohnungslose in Wien sicherzustellen. Etwa 1000 Behandlungen werden seither Monat für Monat in einer mobilen Praxis geleistet.


Die erste "Klausur" fand 1993 in der der Wiener Kunstinstitution Secession statt. Eine Gruppe, die anhand ihrer Ausstellung "11 Wochen in Klausur" kurz WochenKlausur genannt wurde und diesen Namen beibehalten hat, wollte zeigen, dass auch mit Kunst sozialpolitische Defizite verringert werden können. Der Platz vor dem Ausstellungsgebäude war ein stadtbekannter Treffpunkt Wohnungsloser, die nicht nur ohne festen Wohnsitz sondern auch ohne medizinische Versorgung leben mussten. Der bürokratische Aufwand für Behandlungen ohne Krankenversicherung war für Betroffene geradezu unüberwindbar war und in den Ordinationen wurde ihnen nicht selten die Türe gewiesen

Zur dauerhaften Linderung dieses Defizits wurde von der WochenKlausur die Idee einer mobilen Praxis entwickelt. Ein entsprechend umgebauter und eingerichteter Bus mit medizinischem Personal sollte deutlich erkennbar durch die Stadt fahren und zumindest medizinische Erstversorgung leisten. Bis 1993 gab es solche Einrichtung in europäischen Städten noch nicht.

Die Idee war das Eine, ihre Verwirklichung ohne ein Budget dafür zu haben, das Andere. Um die Anschaffung eines Großraumkastenwagen finanzieren zu können, wurden zahlreiche Firmen angeschrieben, die – ihrem Beitrag entsprechend – Logos auf diesem Wagen affichieren konnten. Danach wurde dieser Wagen von der Gruppe in eine mobile Praxis umgebaut.

Während der elf Wochen Projektdauer hat die Gruppe mehr als 70.000 Euro und zahlreiche Materialspenden aufgebracht. Für die dauerhafte Finanzierung des Betrieb und die Instandhaltung des Busses konnte die WochenKlausur die Hilfsorganisation Caritas gewinnen.

Das war schwierig genug. Wesentlich komplizierter allerdings gestaltete sich die Sicherstellung der Bezahlung des medizinischen Personals, das in der Praxis arbeiten sollte. Seine Finanzierung konnte langfristig nur von der Stadt Wien übernommen werden, die zuständige Stadträtin verweigerte dafür allerdings zunächst ihre Zustimmung.

Mit einer Strategie ist es dann doch gelungen. Auf Ersuchen der WochenKlausur hat ein Korrespondent des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel ein Interview mit der Stadträtin geführt. Er sollte vorgeben, einen Bericht über das Vorhaben schreiben zu wollen. Wahrscheinlich weil die Politikerin nicht für das Scheitern eines engagierten Kunstprojekts in der deutschen Wochenzeitung verantwortlich gemacht werden wollte, hat sie letztendlich einer Finanzierung - zunächst für ein Jahr - zugestimmt.

Ein Artikel dazu ist nie erschienen. Aber seither fährt die mit medizinischem Personal besetzte moblie Praxis jeden Tag einen von mehreren Plätzen in Wien, die den Wohnungslosen als Treffpunkte bekannt sind, an.

Mittlerweile ist das Fahrzeug schon dreimal durch ein neues ersetzt worden. Monatlich werden mehr als 1000 Behandlungen durchgeführt. Auch Menschen ohne Papiere, die sonst keine Möglichkeit für eine Behandlung haben, können das Angebot in Anspruch nehmen.
Martina Chmelarz, Marion Holy, Christoph Kaltenbrunner, Friederike Klotz, Anne Schneider, Erich Steurer, Gudrun Wagner, Wolfgang Zinggl