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Retz im Frühjahr 1945 Quellen und Orte Projektvorschlag Durchführung und langfristige Zielsetzung |
Ein Feldgericht der Wehrmacht wird am Hauptplatz (Nr.8) eingerichtet. Dort werden 21 Soldaten wegen "Zersetzung der Wehrmacht" zum Tod verurteilt (darunter auch der Schütze Bernhard, ein Bürger der Stadt). Dem amtierenden Bürgermeister Lehninger gelingt es, den Zivilisten Johann Schwanda, der ebenfalls verurteilt worden war, zu befreien. Bei Oberretzbach werden die verurteilten Sodaten von der Feldpolizei erschossen.
Am Hauptplatz spielen 3 Kinder (Franz Habersam, Gottfried Steiner, Norbert Stieber) mit Munitionsteilen und verunglücken dabei tödlich. Bei dem einzigen Bombenangriff auf Retz stirbt der Pensionist Wenzel Maurik, einige Häuser im Stadtteil Wieden werden schwer beschädigt.
dem Tag der Kapitulation des Deutschen Reiches, veranlaßt Josef Lehninger als letzte Amtshandlung, eine weiße Fahne am Rathausturm zu hissen. Angeführt von Franz Poppinger, Josef Dürr und Christian Fischer geht eine Gruppe von Parlamentären auf der Höfleiner Straße der Roten Armee entgegen und trifft beim Felixkreuz auf die ersten Panzerfahrzeuge. Es gelingt, die Stadt kampflos zu übergeben. Franz Poppinger wird kommissarischer Bürgermeister, im folgenden Jahr löst ihn Christian Fischer ab.
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Vier Orte des Geschehens - (1) das Felixkreuz, (2) die Exekutionsstätte in Oberretzbach, (3) der Soldatenfriedhof, (4) die Gedenktafel am Rathaus, die an den Unfall der 3 Kinder erinnert - sind leicht zu erreichen und illustrieren das Geschehen der letzten Kriegstage eindrucksvoll. |
Im Archiv der Stadt Retz findet sich historisches Quellenmaterial (u.a. ein Protokoll von Josef Lehninger; Auszüge aus der Pfarrchronik, verfaßt vom Stadtpfarrer Msgr. Timmelmayer; eine Dokumentation des neu konstituierten Gemeinderates). Diese Quellen sind wissenschaftlich noch kaum aufgearbeitet. Eine Zusammenfassung von Anton Piegler findet sich in der Festschrift "120 Jahre ÖKB Retz" (erschienen im Mai 2000)
Die dargestellten Ereignisse eignen sich besonders zur Bearbeitung durch SchülerInnen der Oberstufe (die GeschichtsprofessorInnen der Handelsakademie Retz haben nach Rücksprache ihr Interesse bekundet). Die Gründe dafür liegen neben der Zugänglichkeit der historischen Orte in der Überschaubarkeit der Quellen, anhand derer die Arbeitsmethoden der Geschichtswissenschaft L, aber auch der kritische Umgang mit solchen Dokumenten relativ einfach zu vermitteln ist.
Der Fall der verunglückten Kinder könnte ein Ausgangspunkt für die Darstellung der Erfahrungen der eigenen Jugend von Zeitzeugen während des Krieges oder in der Nachkriegszeit sein und somit einen intensiven Dialog ermöglichen. Auch die Phase der Besatzungszeit durch die Rote Armee könnte so anschaulich vermittelt werden. Vor dem Hintergrund der Verurteilungen durch das NS-Feldgericht ließen sich sowohl die Frage nach der persönlichen Verantwortung einzelner, als auch jene der Zivilcourage (etwa im Fall der Rettung Johann Schwandas) erörtern.
Die Rolle einzelner Personen in der NS-Zeit, so zum Beispiel des Bürgermeisters Lehninger kann die Schwierigkeit des Lebens und Überlebens in einem diktatorischen Regime verdeutlichen. Lehninger war einerseits Repräsentant des Systems, andererseits gelang ihm neben der Rettung Schwandas auch die kampflose Übergabe von Retz vor allem dadurch, daß er die zur Verteidigung zugeteilten deutschen Truppenteile ins Waldviertel abzog. Zur Verteidigung der Stadt wurden Panzersperren errichtet, über die sich selbst die Kinder lustig machten, gleichzeitig wurden aber die "fahnenflüchtigen" Soldaten hingerichtet. Die Aufarbeitung dieser Ambivalenz könnte dazu beitragen, das historische Bild zu objektivieren.
Da alle erwähnten historischen Akteure Bürger der Stadt waren, ergibt sich ein direkter Bezug zu Retz. So kann auch den Zeitzeugen Gelegenheit gegeben werden, die Ereignisse aus persönlicher Sicht darzustellen. Diese Auseinandersetzung brächte einen Dialog zwischen den Generationen mit sich und kann auf beiden Seiten verständnisfördernd wirken. SchülerInnen können sich so ein lebendiges Bild von der Geschichte ihrer Heimat machen und haben die Möglichkeit, dieses Bild durch die Auseinandersetzung mit direkt Beteiligten zu vertiefen.