Zürich (CH) * 1994 * Shedhalle * 8 Wochen

In Zürich wurden Schlafgelegenheiten für drogenabhängige Frauen, die ihren Drogenkonsum über Sexarbeit finanzieren eingerichtet. Mit Unterstützung von Politik und Medien konnten Frauen tagsüber eine Rückzugsmöglichkeit nutzen und diese Möglichkeit sechs Jahre lang in Anspruch nehmen.


1994 wurde die WochenKlausur von der Shedhalle nach Zürich eingeladen, ein Projekt zu realisieren. Zum Zeitpunkt des Projekts war in der Schweiz Wahlkampf und soziale Hilfseinrichtungen wurden von konservativen und rechten Parteien für ihre liberalere Drogenpolitik angeprangert. Die Stadt reagierte mit einer Reduktion der Sozialleistungen vor allem für Frauen, die ihren Drogenkonsum über Sexarbeit finanzieren. Diese Frauen sind meistens obdachlos, rechtlos und den Erniedrigungen und Gewalt von Zuhältern, Freiern, Dealern und der Polizei ausgeliefert. Sie können auch nirgendwo ungestört schlafen, da die Notquartiere nur nachts geöffnet sind, doch das ist genau die Zeit, in der die Frauen der Sexarbeit nachgehen. So schlafen sie tagsüber in Parks, in Hauseinfahrten, öffentlichen WC-Anlagen. Die WochenKlausur hat daher eine Tagespension eingerichtet, einen Ort an dem diese Frauen tagsüber ungestört zur Ruhe kommen können und der für Freier und Zuhälter nicht zugänglich sein sollte.

Um für diese Intervention Unterstützung zu erhalten, wählte die Gruppe eine ungewöhnliche Strategie. Jeden Tag wurden vier verschieden Fachleute aus dem Gebiet der Drogenproblematik, der Politik, der Medien, der Justiz zu einer Fahrt auf einem kleinem Schiff auf den Zürichsee geladen, um unter Ausschluss der Öffentlichkeit ihre Ansichten und Informationen auszutauschen. Nach zwei Wochen hatten insgesamt sechzig Personen an dieser Aktion teilgenommen: alle Parteisekretärinnen der Schweizer Parteien, der Zürcher Stadtratspräsident, vier Stadträtinnen, zwei Oberstaatsanwälte, die Chefredakteurinnen der bekanntesten Schweizer Zeitungen, Polizeidirektoren und Fachleute aus den Bereichen Medizin, Prävention oder Therapie. Ergebnisse der Gespräche waren zum einen Fortschritte in Detailfragen wie zum Beispiel die Abgabe von Suchtmittel an Aids-Erkrankte oder eine gerichtliche Vertretung der Betroffenen aus der Sozialarbeit; vor allem aber dienten die Bootsfahrten der WochenKlausur zur Realisierung der geplanten Frauenpension. Mit allen Teilnehmenden wurde vor und nach der Fahrt über dieses Konzept gesprochen. So gelang die politische und mediale Absicherung des Projekts.

Natürlich war es nicht einfach, prominente Vertretungen der jeweiligen Bereiche an Board zu bekommen, aber wie bei vielen WochenKlausur Projekten wurde auch bei diesem strategisch vorgegangen: Als erster wurde der Stadtratspräsident (Oberbürgermeister) mit dem Hinweis eingeladen, dass auch seine Kollegin, die SP-Parteisekretärin mitmachen will, aber nur wenn er, der Stadtratspräsident auch dabei wäre. Dermaßen geschmeichelt, willigte der Präsident ein und eine halbe Stunde später gelang dasselbe umgekehrt auch bei der Parteisekretärin. Weil die regierende SP mitmachte, sagten auch die anderen Parteien zu und dann natürlich die Medien.

Zur selben Zeit wurde ein geeignetes Haus mit ersten Spendengeldern angemietet und eingerichtet. Die Frauenpension konnte und sollte allerdings nicht ohne öffentliche Finanzierung betrieben werden. Die Stadt, der Kanton und das Bundesamt für Gesundheitswesen übernahmen nach einigen Verhandlungen deshalb zwei Drittel der Kosten, der Rest wurde von Privaten aufgebracht. Sechs Jahre lang konnte so die Notschlafstelle ZORA mit 30 Betten erfolgreich betrieben werden, bis die Stadt Zürich im Jahr 2001 ihren Finanzierungsanteil zurücknahm. Mit den restlichen Geldern allein war die Pension leider nicht mehr finanzierbar.
Katharina Lenz, Petra Mallek, Stefania Pitscheider, Isabelle Schaetti, Matthias Schellenberg, Nina Schneider, Simon Selbherr, Wolfgang Zinggl