Wien (A) * Secession * 1993 * 11 Wochen

Mit dem ersten Projekt in Wien gelang es, die medizinische Versorgung für Wohnungslose sicherzustellen. Seither werden in einer mobilen Praxis monatlich 700 Behandlungen durchgeführt.


Eingeladen von der Wiener Secession, eine Ausstellung zu kuratieren, engagierte Wolfgang Zinggl eine Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern, die neben der Kunst auch in anderen Bereichen tätig waren. Er wollte zeigen, dass Kunst konkrete Verbesserungen im Zusammenleben bewirken kann. 11 Wochen lang wurden die Ausstellungsräume für eine gemeinsame “Klausur" genutzt und so entstand der Name WochenKlausur.

Zu diesem Zeitpunkt war der Platz vor dem Ausstellungsgebäude ein stadtbekannter Treffpunkt für Wohnungslose und nachdem die Gruppe in Erfahrung gebracht hatte, dass ihnen der Zugang zu medizinischer Versorgung ohne Krankenversicherung verwehrt war, entstand die Idee für kostenlose Behandlungen in einer mobilen Praxis. Ein entsprechend ausgestatteter Bus sollte regelmäßig und nach Plan bestimmte Plätze der Stadt anfahren. Damals existierte so eine Einrichtung noch nirgendwo.

Die Idee ist das eine – die Umsetzung ohne Budget das andere. Um einen geeigneten Transporter finanzieren zu können, wurden Sponsoren gesucht, die als Gegenleistung für die Unterstützung ihr Logo auf dem Fahrzeug platzieren konnten. Und tatsächlich konnte mit 70.000 Euro an Geld- und zahlreichen Materialspenden ein Wagen angekauft und von der Gruppe zur mobilen Praxis umgebaut werden. Gleichzeitig galt es allerdings, den laufenden Betrieb und vor allem die langfristige Finanzierung des medizinischen Personals sicherzustellen. Für den Betrieb konnte die Hilfsorganisation Caritas gewonnen werden – das war schwierig genug – aber noch schwieriger gestaltete sich die Finanzierung der Gehälter für das medizinische Personal. Das gelang mit cleveren, medialen Strategien. Auf Ersuchen der WochenKlausur führte beispielsweise ein Korrespondent des deutschen Nachrichtenmagazins Spiegel ein Gespräch mit der zuständigen Stadträtin. Er gab vor, einen Bericht über das Projekt schreiben zu wollen und weil die Politikerin möglicherweise nicht riskieren wollte, in einer deutschen Wochenzeitung für das Scheitern eines engagierten Kunstprojekts verantwortlich gemacht zu werden – sagte sie die Finanzierung für ein Jahr zu. Der angekündigte Artikel erschien nie. Aber seither fährt die mobile Praxis täglich die Treffpunkte für Wohnungslose an und führt monatlich über 700 Behandlungen durch. Auch Menschen ohne Papiere, die sonst keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, können das Angebot nutzen. Inzwischen wurde das Fahrzeug dreimal erneuert.
Martina Chmelarz, Marion Holy, Christoph Kaltenbrunner, Friederike Klotz, Anne Schneider, Erich Steurer, Gudrun Wagner, Wolfgang Zinggl